Baby steht Kopf - Erfahrungsbericht über die Geburt in Beckenendlage

Heute gibt es einmal nichts Selbstgemachtes, wobei... im Weitesten Sinne ja doch ;-) 
Ich persönlich hätte gerne mehr Erfahrungsberichte über Spontangeburten in Beckenendlage gelesen, weswegen ich mich dazu entschieden habe, selbst einen zu schreiben.

BEL - diese drei Wörter standen seit der 30. SSW in meinem Mutterpass und haben für viel Aufregung gesorgt. Man versicherte mir von allen Seiten, dass das Kind noch bis zur 36. Woche Zeit und Platz hätte, sich zu drehen, auch wenn mir schon lange klar war, dass das nicht der Fall sein wird. Und dann muss man sich früher oder später mit dem Gedanken auseinandersetzen, wie dieses Kind zur Welt kommen soll. Ich wollte mir hierzu so viele Informationen wie möglich von Fachleuten einholen, um mich "richtig" entscheiden zu können. Letzten Endes habe ich aber einfach auf meinen Bauch gehört.

Das Risiko

Plötzlich hat jeder eine Meinung zu diesem Thema und die allgemein gültige Aussage lautet: "Das Risiko wäre mir zu groß" Aber wie sieht dieses Risiko aus?
Die sogenannte "Hannah-Studie" aus dem Jahr 2000 kommt zu dem Schluss, dass der Kaiserschnitt der bevorzugte Geburtsmodus bei BEL sei. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass diese Studie gravierende Mängel aufweist. Trotzdem bleibt die Sectio in vielen Krankenhäusern die einzige Entbindungsmöglichkeit. Inzwischen weiß man aber wohl, dass das Risiko für das Kind - unter bestimmten Voraussetzungen! - nicht größer ist als in Schädellage, das Risiko für die Mutter beim Kaiserschnitt hingegen schon, einfach weil es trotz allem eine Operation bleibt. 

Mein Mann

Er stand voll und ganz hinter mir und meinte, die Entscheidung läge alleine bei mir, einzig wegen einer Hüftdysplasie hatte er einmal Bedenken geäußert, würde dies bei Steißlagenkindern wohl öfter einmal vorkommen. Ich konnte herausfinden, dass dies tatsächlich so ist, aber nicht auf den Geburtsvorgang zurückzuführen wäre, sondern auf die Kindslage während der Schwangerschaft. Dagegen konnte ich nichts tun, Kind lag nun einmal wie es lag. 

Die Wahl der Klinik

Es wird einem wirklich nicht einfach gemacht. Man kann nicht einfach in jedem Krankenhaus so entbinden. In meinem Fall stand genau eine Klinik zur Wahl. In dem Haus, in dem ich eigentlich entbinden wollte, bot man eine Spontangeburt nicht an, aber eine äußere Wendung. Meine niedergelassene Gynäkologin empfahl mir, mich in beiden Häusern vorzustellen und nach Bauchgefühl zu entscheiden. Ihrerseits spräche nichts gegen eine vaginale Entbindung. 

Geburtsplanung - die Erste

Zuerst stand der Termin in dem Krankenhaus mit Möglichkeit zur Spontangeburt an, SSW 35+3 Untersucht wurde ich von einer jungen, quirligen Ärztin, die mich anlächelte und sagte: "Wir entbinden hier total gerne Beckenendlagen vaginal". Da hat man einfach gleich mal ein gutes Gefühl! Es wurde eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, um die Proportionen des Kindes zu messen, die Größe meines Beckens zu beurteilen und die genaue Kindslage zu bestimmen. Zur Geburt wäre es günstig, wenn der Bauchumfang des Kindes gleich oder größer als der Kopfumfang wären, um das Becken entsprechend vorzudehnen. Momentan sei der Kopf noch ein klein wenig größer, dieser würde nun aber nicht mehr wachsen und ich solle mich in 14 Tagen noch einmal zur Größenkontrolle vorstellen, wenn ich weiterhin eine Spontangeburt möchte. Die Kindslage sei eine "reine Steißlage", die günstigste Position für eine vaginale Entbindung. Man wies mich darauf hin, dass ich liegend transportiert werden müsste, sollte es zu einem vorzeitigen Blasensprung kommen.

Geburtsplanung - die Zweite

Ein paar Tage später ging es nun also um ein Gespräch und die Voruntersuchung zur äußeren Wendung. Wieder wurde ein Ultraschall durchgeführt, um die Lage der Plazenta und die Fruchtwassermenge zu bestimmen. Man erklärte mir, dass die Erfolgsaussichten nicht sonderlich groß wären. Das lag zum Einen an wenig Fruchtwasser und zum Anderen an einer Vorderwandplazenta. Diese könnte sich bei dem Versuch lösen, dann käme es zu einem Notkaiserschnitt unter Vollnarkose. Das wollte ich ja noch viel weniger als einen geplanten Kaiserschnitt. Anschließend versuchte die untersuchende Ärztin, mein Kind von außen "aus dem Becken zu heben", was doch sehr unangenehm für mich war. Bei dem tatsächlichen Wendeversuch sei dies noch viel unangenehmer, erklärte sie mir. Nachdem ich aber nichts unversucht lassen wollte, vereinbarten wir einen Termin für die kommende Woche. 

An diesem Tag war mein Baby extrem unruhig, auch mir war nicht wohl zu Mute. Dieses ungute Gefühl wurde die folgenden Tage immer schlimmer, bis ich den Termin kurzerhand wieder absagte. Zur Wahl standen jetzt also noch eine geplante Sectio oder die Spontangeburt. 

Im Geburtsvorbereitungskurs war diese Woche Thema "Die Geburt". Die leitende Hebamme wusste um mein Problem und demonstrierte extra für mich ganz fröhlich die Geburt in Steißlage mit ihrer Puppe und dem Demobecken. "Das geht dann Blub, Blub, Blub und dann ist das Kind draußen, ganz einfach". Spätestens da war mir dann klar, dass ich es versuchen werde.

Größenkontrolle

SSW 37+3 Diesmal wurde ich von einem Arzt untersucht, der den Mund einfach nicht aufbekam. Er schallte und schallte und schallte und meinte dann irgendwann ganz trocken: "Sie sind sich der Risiken einer Spontangeburt bewusst?" HAL - LO, da hatte ich mich endlich entschieden und dann sowas! Ich entgegnete: "Und die Risiken eines Kaiserschnitts?" - "Ja, da haben Sie auch wieder recht". Ich fragte, ob aus seiner Sicht denn jetzt etwas gegen die Spontangeburt spricht. Nein, die Proportionen des Kindes würden passen und auch mein Becken wäre soweit in Ordnung. Mir sollte aber folgendes klar sein: Wenn Arzt oder Hebamme auch nur einen Moment das Gefühl haben, das wird nichts, brechen wir ab und machen einen Kaiserschnitt. Na wunderbar! Dann würden wir jetzt also auf das Kind warten.

Und los geht's

Noch am selben Tag kam es abends um 23 Uhr tatsächlich zu einem Blasensprung ohne Wehen. Nachdem man mich im Vorfeld mehrmals auf einen Liegendtransport hingewiesen hatte, bestellte mein Mann brav einen Krankenwagen. Morgens um 9 waren immer noch keine Wehen in Sicht, auch sollte ich weiterhin nicht aufstehen. Die Hebamme erklärte mir, das Kind könne bis zu 72 Stunden "auf dem Trockenen" liegen, es gäbe aber auch die Möglichkeit, mittels Medikament einzuleiten. Weil mir das Rumliegen zu blöd war, entschied ich mich für das Medikament. Hätte ich gewusst, was da auf mich zukommt, hätte ich mir das wohl anders überlegt.

Nachmittags begannen die ersten Kontraktionen und das Kind hatte sich weit genug abgesenkt, um aufstehen zu können. Es war gegen 23 Uhr, als mich die Wehen so überrumpelt bzw. überfordert haben, dass ich ganz dringend eine PDA wollte, die ich auch direkt bekam. Somit konnte ich mich zumindest kurzzeitig erholen. Irgendwann nach Mitternacht begann man dann, mir Oxytocin intravenös zu verabreichen, um die Geburt wieder voranzutreiben. Jedes Mal, wenn die Hebamme bei mir vorbeischaute, wurde die Dosis erhöht. Ich höre sie noch sagen: "Die Wehenspitzen spüren Sie mit der PDA jetzt aber nicht mehr so schlimm". Das war gelogen! Da die Steißgeburten Oberarztsache waren, war auch dieser inzwischen anwesend, mit einem Assistenzarzt im Schlepptau. Es fallen einem ja dann wirklich merkwürdige Dinge auf, ich fand es nämlich total ulkig, dass beide relativ stark tatöwierte Arme hatten.

Ich hatte mich im Vorfeld ja ausreichend informiert und wusste, dass der Vierfüßlerstand die bevorzugte Gebärposition war, so hatte ich die Wehen die letzten Stunden auch am Besten ertragen. Als es dann aber endlich losging, konnte ich so nicht genug Kraft aufbringen, weswegen ich kurzerhand doch in die ungünstigere Rückenlage wechselte. "Bei der nächsten anständigen Wehe pressen" hieß es. Tja, mit diesen Wehen war das so eine Sache, die waren dann mal wieder weg, zumindest lief mir keine anständige mehr über den Weg. Ich presste also einfach irgendwann und fragte meinen Mann nach einer gefühlten Ewigkeit - ich merkte, dass sich das Kind keinen Millimeter vorwärts bewegte - wie denn die Lage sei. Zur Antwort bekam ich: "Ich kann schon zwei Hintern sehen". Im Nachhinein erst erfuhr ich, dass der Gynäkologe so lange Gegendruck erzeugt und das Kind in der Mutter zurückhält, bis die Gebärmutter genug Druck aufgebaut hat, um das Kind in einem Rutsch mit dem Körper zu gebären. Außerdem ist so wohl die Gefahr gering, dass das Kind die Arme hochschlägt. So war es auch bei uns, der Körper wurde in einem Zug mit den Armen geboren. Da machte sich Panik in mir breit, ich war mir sicher, dass ich nicht mehr genug Kraft für die Geburt des Kopfes aufbringen würde. Lange konnte ich aber nicht darüber nachdenken, da warf mir der Oberarzt unseren Sohn auch schon auf den Bauch. Mit einem gekonnten Handgriff (nach Veit-Smellie) hatte er den Kopf gelöst. Wir durften uns kurz begrüßen, dann brachte man den Minimann zur Überwachung auf die Kinderstation, er atmete etwas flach.

Fazit

Ich bin dankbar, dass ich unser Kind auf normalem Weg zur Welt bringen durfte und würde es wieder tun, dann aber vielleicht ohne Einleitung. Ich will mit meinem Bericht nicht sagen, dass jede Schwangere in der gleichen Situation ihr Kind spontan entbinden soll. Eher soll er dazu anregen, auf sein Bauchgefühl zu hören.  

Eine Hüftdysplasie konnte bei dem Sohnemann im Übrigen ausgeschlossen werden, auch ansonsten geht es ihm ganz prächtig. 

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